ÜBERSICHT VERTRAGSRECHT
- Allgemeines zur Vertragslehre
- Vertragsabschluß
- Anfechtung
- Stellvertretung
- Verjährung
- Einbeziehung AGB’s
- Verbraucherschutz
- Einwendungen
- Leistungsstörungen / Mängelhaftung
GRUNDBEGRIFFE
Vertrag
- Besondere Form eines Rechtsgeschäfts
Rechtsgeschäft
- eine oder mehrere Willenserklärungen mit Rechtsfolge
- mit nur einer Willenserklärung: einseitiges Rechtsgeschäft
- mit mehreren Willenserklärungen: Vertrag
Willenserklärung
- bewusste Willensäußerung, mit der ein Rechtserfolg angestrebt wird, d.h. eine rechtliche Bindung wird erstrebt
- Bei Gefälligkeiten besteht kein Rechtsbindungswille
- Ist ein Rechtsgeschäft scheinbar erfolgt, obwohl eine Partei keine Rechtsbindung verfolgt hat, so ist der Vertrag unwirksam
Wichtige Prinzipien
- Abstraktionsprinip
- Privatautonomie
ABSTRAKTIONSPRINZIP
Grundprinzip: Vertrag und Erfüllung getrennt behandeln
- Vertrag = Verpflichtungsgeschäft
- Erfüllung = Verfügungsgeschäft
Hintergrund
- Wichtig z.B. bei § 812 BGB: regelt Rückgewähr von Leistungen, bei denen
- Verpflichtungsgeschäft unwirksam
- Verfügungsgeschäft wirksam
Detail-Beispiel
- Alice kauft am Kiosk von Bob eine Zeitschrift
- Kaufvertrag regelt, was zu welchem Preis zu leisten ist, ein Eigentumsübergang findet allein durch Kaufvertrag noch nicht statt
- Der Kaufvertrag begründet die Verpflichtung beider Parteien, diesen Vertrag zu erfüllen = Verpflichtungsgeschäft
Rechtliche Wirkung
- Das Verpflichtungsgeschäft begründet Ansprüche und verpflichtet gleichzeitig die Vertragsparteien, bestimmte Handlungen vorzunehmen
- Bzgl. Alice: Anspruch auf Übereignung Zeitschrift ⇒ Pflicht zur Übereignung Kaufpreis
- Bzgl. Bob: Anspruch auf Zahlung Kaufpreis ⇒ Pflicht zur Übereignung der Zeitschrift
Zu erfüllende Verpflichtungen
- Übereignung der Zeitschrift an den Käufer
- Übereignung des Geldes an den Verkäufer
- Übereignungen sind für sich genommen auch Verträge, in diesen einigt man sich darüber, dass das Eigentum übergehen soll (§929 BGB)
- Juristisch korrekt: es wird ein Recht (Eigentum) geändert, sprich “über ein Recht verfügt” ⇒ deswegen Bezeichnung als “Verfügungsgeschäft”
- In den beiden vorliegenden Verfügungsgeschäften werden direkt Rechte geändert ⇒ der Eigentümer der Zeitschrift ändert sich.
WAS BEZWECKT DAS ABSTRAKTIONSPRINZIP ?
Relevanz
- zum Einen dann relevant (s.o.), wenn der Vertrag (Verpflichtungsgeschäft) unwirksam ist (oder wird), aber das Verfügungsgeschäft wirksam ist (oder bleibt)
- insbesondere aber dann interessant, wenn die beiden Geschäfte zeitlich nicht direkt zusammenfallen
Beispiele
- Kauf gegen Vorauskasse
- Kauf gegen Nachnahme
- Kauf auf Rechnung
Auswirkung
- Wird die Ware übergeben, ist der Käufer bereits der Eigentümer
- Der Verkäufer kann Zahlung des Kaufpreises verlangen, ist jedoch nicht mehr Eigentümer
- Wird der Kaufpreis nicht bezahlt, muss er die Rück-Übertragung des Eigentums rechtlich durchsetzen
PRIVATAUTONOMIE
Drei Grundfreiheiten
- Abschlussfreiheit
- Formfreiheit
- Gestaltungsfreiheit
Abschlussfreiheit
- jeder ist in der Wahl der Vertragspartner frei
- jeder ist frei in der Entscheidung, ob er Vertrag abschließen will
Ausnahmen von Abschlussfreiheit
- Bestehen eines Vorvertrages / Vorkaufsrechtes
- so genannter Kontrahierungszwang:
- Kraft Gesetz (z.B. § 6 EnergieWiG) / staatl.Monopolbetrieb
- Monopolähnliche wirtschaftliche Marktstellung
- Lebenswichtiges Gut (z.B.: Energie, Wasser, kultur)
- Kein sachlicher Ablehnungsgrund
Formfreiheit
- Vertragsparteien können grds frei wählen, in welcher Form der Vertrag geschlossen wird: mündl., schriftl., notariell…
- Ausnahmen von Formfreiheit: Gesetz schreibt bestimmte Form vor (z.B. bei Grundstückskaufverträgen = notarielle Form notwendig)
Gestaltungsfreiheit
- Parteien können frei vereinbaren, zu welchen Leistungen sie sich verpflichten wollen
- Parteien können frei entscheiden wie diese konkret ausgestaltet sein sollen
PRIVATAUTONOMIE - GRENZEN
Wie immer: keine Freiheit ohne Schranken
- Bei Verstoss gg. Gute Sitten: allgemein anerkannte Normen der Moral, so genanntes „Rechtsgefühl aller billig und gerecht denkenden“ (z.B.: Anheuern eines „Auftrags-Killers“)
- Knebelverträge (z.B.: Bierlieferungsvertrag über 50 Jahre)
- Wucher, Kredit-Rückzahlung mit 12 % über marktüblichem Zins
- wenn Dritter verpflichtet wird (so genannter Vertrag zu Lasten Dritter)
- Verstoss gegen gesetzliche Verbote, z.B. Menschenhandel, Verkürzung gesetzl. Fristen
Privatautonomie betrifft aber nur Verpflichtungsgeschäft
Beim Verfügungsgeschäft ist diese eingeschränkt:
- bei Verpfändung: Eigentum wie bisher bleibt bestehen
- bei Eigentumsübertragung: Parteien dürfen keine Mischform aus Verfügungen bilden, weil dann unklar ist, wer nun Eigentümer sein soll
- bei Rechte-Änderung oder –Übertragung: diese sind auf die Rechtsinstitute des BGB beschränkt (z.B. Grundstücks-Übertragung ist nur nach den Maßgaben der §§ 929 BGB ff. möglich)
Konkretes Beispiel
- Alice hat Bob ihr Grundstück verkauft
- Solange Alice noch Eigentümerin ist kann sie es aber trotzdem rechtlich wirksam auch an Eve übereignen
- Sie muss jedoch mit Schadensersatzansprüchen von Bob rechnen!
VERTRAGSABSCHLUSS
Vertrag
- Rechtsgeschäft, in d. mind. 2 Vertragspartner Einigung über RF treffen
- Beispiel: Alice und Bob einigen sich, dass Alice das Fahrrad von Bob benutzen darf, Alice gibt Bob 10 € ⇒ Mietvertrag
Rechtsgeschäft
- durch eine Willenserklärung wird rechtlicher Erfolg bezweckt
- Beispiel: Bob schreibt einen Brief, in dem er bestimmt, dass Alice nach seinem Tode das Fahrrad erhalten soll ⇒ Testament
Bedeutet bzgl. Rechtsfolge
- Muss direkt bezweckt sein
- Erst die Rechtsfolge macht Vertrag zu einem Rechtsgeschäft
- rechtliche Verbindlichkeit gewollt, sonst nur Gefälligkeit
Beispiel
- Wenn Alice und Bob sich z.B. schriftlich einigen, dass Eve eine “dumme Kuh” ist, wäre die rechtliche Folge zwar, dass sich beide ggf. wegen Beleidigung strafbar gemacht haben
- Rechtsfolge erwächst aber nicht aus der Einigung (es liegt also kein Vertrag vor) sondern aus der Bezeichnung der Eve als „dumme Kuh“ (=Straftatbestand)
VERTRAG - GRUND-PRINZIPIEN
Angebot
- Unter einem Angebot (auch Antrag oder Offerte) ist eine empfangsbedürfte Willenserklärung zu verstehen, die alle vertragswesentlichen Bestandteile enthält und durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dem Einverständnis des Empfängers abhängt
- dieser muss das Angebot also mit einem einfachen “Ja” annehmen können
Annahme
- Einseitige …
- empfangsbedürftige …
- und vorbehaltlose Willenserklärung
- aus der sich der Annahmewille des Angebots unzweifelhaft ergibt
Besondere Verträge
- Vertrag meist mehrseitiges Rechtsgeschäft
- Bei mehrseitigem Rechtsgesch. müssen mehrere Personen Erklärungen abgeben (z.B. Heirat)
- Ausn.: bei Gründung einer “Ein-Mann-GmbH” ist es mögl., Vertrag mit sich selbst zu schließen
Weitere einseitige Rechtsgeschäfte
- Testamentserrichtung
- Kündigung eines Vertrages
ZUSAMMENFASSUNG ANFORDERUNGEN
Anforderungen an Vertragsparteien
- beide Parteien rechtsfähig
- beide entweder selbst geschäftsfähig
- oder beide korrekt vertreten
Beispiel
- Oma Alice kann Grundstück nicht an ihre Katze Eve verkaufen (oder vererben), da diese nicht rechtsfähig ist, sie kann aber das Grundstück an Ihren 2-jährigen Enkel Bob verkaufen
- Dieser darf den Vertrag dann aber nicht selbst abschließen, sondern muss sich durch seine Eltern vertreten lassen
- wir erinnern uns: beschränkte Geschäftsfähigkeit ;-)
Sonderfälle bei mehr als 2 Personen
- Dreiecksverträge
- Gesellschaftsverträge
ÜBERSICHT VERTRAGSARTEN
- Kaufvertrag
- Dienstvertrag
- Werkvertrag
- Darlehensvertrag
- Schenkung
- Pachtvertrag
- Leihe
- Arbeitsvertrag
- Behandlungsvertrag
- Auftrag
- Geschäftsbesorgungsvertrag
- Verwahrung
PRÜFUNGS-SCHEMA ZUM VERTRAG
Angebot, § 145 BGB
- Abgabe
- unter Anwesenden = mit mdl. bzw. Übergabe schriftl. Erklärung
- unter Abwesenden = Willentl. Inverkehrbringen, sodass Zugang eintreten kann
- Zugang, § 130 BGB
- unter Anwesenden = wenn Angebot “vernommen” wurde
- unter Abwesenden = wenn Erklärung in Machtbereich des Empf.gelangt ist, sodass dieser Möglichkeit der Kenntnisnahme hat und mit Kenntnisnahme zur rechnen ist
Annahme
- auch hier ist ebenfalls die Abgabe und die Annahme erforderlich
- ein Abweichen vom Angebot erzeugt gem. § 150 II BGB ein neues (eigenes) Angebot
Frist
- Bei Bestimmung nur innerh. dieser Frist, § 148 BGB
- Ohne Fristbestimmung: § 147 BGB
- Verspätete Annahme = neuer Antrag, § 150 I BGB
WILLENSERKLÄRUNG
Eine vom Handlungswillen und vom Erklärungsbewusstsein getragene, sich im äußeren Verhalten kundtuende Handlung, die auf Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist.
Subjektiver Erklärungstatbestand
- Handlungswille = liegt vor, wenn der Erklärende bewusst durch äußeres menschliches Verhalten tätig wird
- Erklärungsbewusstsein = subjektiver Bestandteil einer Willenserklärung. Fehlt das Erklärungsbewusstsein, hat der Erklärende zwar entsprechenden Handlungswillen - ist sich allerdings nicht der Tatsache bewusst, dass seine Handlung berechtigterweise als Willenserklärung aufgefasst werden darf
- Geschäftswille = Teil der wirksamen Willenserklärung, er bezieht sich auf die Herbeiführung bestimmter Rechtsfolgen
Objektiver Tatbestand: Erklärungen einer Person
- Soll eine bestimmte Rechtsfolge bezwecken
- Eine Willenserklärung ist zum Beispiel nicht: „Ich will nach Hause“
- Willenserklärung kann empfangsbedürftig sein: z.B. Kündigung, Vertragsangebot
- oder auch nicht empfangsbedürftig, wie z.B. beim Testament
kann einseitig oder mehrseitig sein
- Einseitig: Kündigung, Testament, Anfechtungserklärung
- Mehrseitig: Vertragsangebot, Vertragsannahme
Frage: Ist Schweigen eine Willenserklärung?
- Antwort: Nein = Schweigen ist so genanntes „rechtliches nullum“
- Gilt bis auf wenige Ausnahmen, hierzu später
Auslegung von Willenserklärungen
Auslegung von Willenserklärungen, § 133 BGB
- Natürliche Auslegung = Ermittlung des tatsächlichen Willens des Erklärenden
- Normative Auslegung = Ermittlung des objektiven Erklärungswerts
Auslegung Verträgen, § 157 BGB
- Erläuternde Auslegung = bei Ungenauigkeiten oder Mehrdeutigkeiten:
- Parteiinteresse
- Vertragszwec
- Treu und Glauben
- Verkehrssitte, § 157 BGB
- Ergänzende Auslegung = Schließen von “Vertragslücken”
- wenn tatsächliche Regelungslücke (keine Vereinbarung und keine zwingende Rechtsnorm vorhanden)
- Einschlägige dispositive Rechtsnorm vorhanden?
- Wenn ja ⇒ Anwenden der Rechtsnorm
- wenn nein ⇒ Feststellung des hypothetischen Parteiwillens
- Dissens, §155 BGB, wenn keine ergänz. Vertragsauslegung mögl.
ABGABE UND ZUGANG
Abgabe
- willentliches “auf den Weg bringen”, so dass unter normalen Umständen mit einem Erhalt durch Empfänger zu rechnen ist,
- z.B. keine Flaschenpost!
Zugang
- Eindringen in Machtbereich Empfänger und Möglichkeit Kenntnis
- Versteht der Empfänger nicht oder falsch, gilt als erklärt, was ein durchschnittlicher Dritter verstanden hätte
- Empfängt nicht Empfänger, sondern Dritter, kann trotzdem die Erklärung zugegangen sein = Empfangsvertreter
- Ist Dritter nur Empfangsbote, d.h. er hat keine Empfangsvollmacht, geht die Erklärung erst zu, wenn Sie den Empfänger oder einen Empfangsvertreter tatsächlich erreicht. (Empfangsbote: z.B. Nachbarn)
- Verweigert Empfänger unberechtigt die Annahme, ist Erklärung trotzdem zugegangen
- Bei berechtigter Weigerung gilt sie als nicht zugegangen
Arten der Empfangsbedürftigkeit
- Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden mit Abgabe wirksam. z.B. Testament
- Empfangsbedürftige Willenserklärungen unter Anwesenden mit Äußerung, bei Abwesenden mit Zugang
- Brief gilt an dem Tag als zugegangen, an dem er vor 18 h im Briefkasten ist
- Einschreiben gilt als am Tag nach der Mitteilung zugegangen
WIDERRUF
Widerruf
- Willenserklärung kann im Normalfall nicht widerrufen werden
- Willenserklärungen die auf Abschluss eines Vertrages zielen, sind regelmäßig bindend: § 145 BGB
- Ausnahme: wenn Gesetz ausdrücklich regelt, dass ein Widerruf zulässig sein soll, z.B. § 130 BGB
- Wirkung: Willenserklärung gilt als nicht abgegeben: § 130 BGB
- Widerruf muss früher als eigentliche Willenserklärung oder wenigstens gleichzeitig zugehen
Weitere gesetzliche Widerrufsmöglichkeiten
- § 312 BGB: Geschäfte, die vom Verbraucher in Wohnung, am Arbeitsplatz, auf öffentlichen Wegen und Plätzen oder in Verkehrsmitteln geschlossen wurden -
- Widerrufsrecht besteht nicht, wenn Preis geringer als 40,00 € war und sofort bezahlt wurde oder Vertragspartner zum Kunden bestellt wurde
- § 495 BGB: für die Gewährung von Krediten an private Verbraucher über mehr als 200,00 €
- bei Fernabsatzgeschäften: Geschäfte zwischen Unternehmer und Verbraucher unter Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln (Telefon, E-mail, SMS, Fax, MMS, Webseiten u.s.w.)
- bei der Erteilung von Vollmachten: § 168 S. 2 BGB
- bei Erteilung von Aufträgen: § 671 Abs. 1 BGB
SONSTIGES
Abgabe
- Angebot grds bindend: § 145 BGB – siehe Folgefolien
- kann grds. nicht mehr zurückgenommen werden, Bindung an das Angebot kann aber befristet oder ausgeschlossen werden
- Empfänger kann jederzeit durch Annahme Vertrag zustande kommen lassen
- kein Angebot: so gen. invitatio ad offerandum (Schaufenster, Zeitungsannonce, Internetseite)
- Angebot kann erlöschen wenn es nicht rechtzeitig angenommen oder abgelehnt wird
- Durch Anbieter kann auch eine Annahmefrist festgelegt oder zwischen den Parteien vereinbart werden
- Abändernde oder verspätete Annahme: siehe Folgefolien
Zugang
- Zugang ggf entbehrlich:
- wenn Antragender darauf verzichtet hat oder dies nach Verkehrssitte nicht erwartet wird
- Annahme durch „sozialtypisches Verhalten“: ei Einsteigen in Zug wird autom. ein Beförderungsvertrag geschlossen, selbst wenn Einsteigender laut protestiert
KONSENS
Konsens = Einigung
- Vertrag kommt zustande, wenn über die wesentlichen Bestandteile Einigung erzielt wurde
- Inhaltliche Übereinstimmung heißt nicht wörtliche Übereinstimmung!
Wesentliche Vertragsbestandteile
- werden je nach Vertragstyp unterschieden, in der Regel Leistung / Gegenleistung
- Bei Dienst- und Werkvertrag ist die Höhe der Vergütung kein wesentlicher Vertragsbestandteil (da gesetzlich vorausgesetzt)
- falls keine Einigung über Preis getroffen wurde, ist der “übliche” Preis zu zahlen, vgl. §§ 612 I, 632 I BGB
- Falsche Bezeichnung des Vertragsgegenstandes schadet nicht, wenn beide Parteien sich dem Grunde nach einig sind (so genannte „falsa demonstracio non nocet“)
HAAKJÖRINGSKÖD-FALL
- berühmter deutscher Rechtsstreit von 1920
Sachverhalt
- Der Käufer (Kläger) kaufte im November 1916 beim Beklagten (Verkäufer) 214 Fass Haakjöringsköd aus Norwegen zum Preis von 4,30 Reichsmark pro Kilo
- Beide gingen davon aus dass Haakjöringsköd Walfleisch bedeute.
- Tatsächlich bezeichnet der Begriff im Norwegischen jedoch Haifischfleisch
- Die Fässer enthielten auch Haifischfleisch
Problem
- Für Haifischfleisch galten als Folge des Ersten Weltkriegs Einfuhrbeschränkungen, deshalb wurde Ladung von der staatlichen Zentral-Einkaufsgesellschaft im Hafen beschlagnahmt
- Der Käufer erhielt seine Ware nicht mehr, ihm wurde als Ersatz nur ein viel niedrigerer Übernahmepreis gezahlt als der von ihm bezahlte Kaufpreis
- Ihm entstand dadurch ein Schaden von 47.515,90 Reichsmark
- Der Käufer klagte erfolgreich gegen den Verkäufer auf Erstattung des Schadens
- Berufung und Revision des Verkäufers wurden zurückgewiesen
Warum ist der Fall eigentlich interessant?
- Weil das Gericht feststellte, dass zw. Käufer und Verkäufer ein Vertrag über Walfleisch zustandekam, obwohl beide einen vollkommen falschen Ausdruck (Haakjöringsköd = Haifischfleisch) verwendet hatten
- Rechtl. Lösung ergibt sich aus § 133 BGB: bei Auslegung einer Willenserkl ist der wirkliche Wille zu erforschen, nicht am buchstäblichen Sinn zu haften.
- Hier: die Parteien haben zwar subjektiv etwas anderes gewollt als sie objektiv erklärt haben und sich damit über den Inhalt geirrt, da Sie aber beide dasselbe wollten, besteht kein Grund, an Falschbezeichnung festzuhalten (und den Verkäufer damit besser zu stellen)
Auch hier zeigt sich wieder ein interessanter Unterschied zum amerikanischen Recht:
- dort wird regelrecht “sklavisch” am geschriebenen Wort festgehalten nach dem Motto “Egal, was ihr eigentlich wolltet, das steht hier aber nicht im Vertrag!”
- aus diesem Grund sind amerikanische Vertragswerke nach europäischem Verständnis regelrecht “ausufernd” und umständlich formuliert
- Beispiel: praktisch jede x-beliebige EULA…
DISSENS
Dissens = Uneinigkeit
- Bei Dissens bezüglich wesentlicher Vertragsbestandteile kommt Vertrag nicht zustande
- Bei Dissens bezüglich Nebenvereinbarungen relevant, ob die Parteien den Vertrag ohne diese Regelung geschlossen hätten
- Ist dies der Fall, ist Vertrag zustande gekommen: § 140 BGB
Formen (§154 BGB)
- Offener Dissens: ist in bestimmten Punkten des Vertrages keine Einigung erzielt worden, dies auch beiden Parteien bekannt und dabei ein wesentlicher Vertragsbestandteil im Dissens, gilt Vertrag als nicht geschlossen
- Versteckter Dissens: Parteien haben in einem Punkt scheinbar Einigung erzielt, tatsächlich liegt keine Einigung vor. Wenn dies wesentliche Vertragsbestandteile betrifft, gilt Vertrag als nicht geschlossen
FORMVORSCHRIFTEN
Grundsätzlich Formfreiheit
- auch das gesprochene Wort oder der Handschlag gilt (auch ohne sich vorher in die Hände zu spucken)!
- Das BGB legt allerdings für bestimmte Verträge eine bestimmte Form fest
Zweck von Formvorschriften
- Schutz vor Übereilung bei wichtigen Geschäften (Warnfunktion)
- Beratung bzgl Reichweite Geschäft (Schutzfunktion)
- Beweissicherung (Beweisfunktion)
- Schutz Rechtsverkehr (Publizitätsfunktion, z.B. Grundstück)
- Bei Formerstoss: siehe Folgefolie (ggf heilbar!)
ANFECHTUNG WEGEN IRRTUMS
Irrtum = Auseinanderfallen von Wille und Erklärung
- Folge: eventuell - jedoch nicht zwingend - anfechtbar, hierzu gleich…
Scheinerklärungen (§ 117 BGB)
- grds. nichtig
- Bsp: wenn nur ein Teilbetrag im Kaufvertrag steht, obwohl volle Summe gezahlt wird (z.B. Steuerhinterziehung)
Geimer Vorbehalt
- Erklärung unter Vorbehalt
- Vorbehalt ist Annehmendem aber nicht bekannt
Offener Vorbehalt (§ 116 S2 BGB)
- Vorbehalt bekannt, wurde nicht akzeptiert ⇒ Vorbehalt nichtig,
- Anfechtungsmöglichkeiten wg Irrtum
Inhaltsirrtum (§ 119 Abs.I Alt.1 BGB)
- Erklärender erklärt das, was er will und glaubt fälschlich seine Erklärung habe den von ihm gewünschten Inhalt
- Bsp: falsch verstandenes Fremdwort
- Bsp: Identitätsirrtum = Erklärender verwechselt Empfänger mit einer anderen Person
Erklärungsirrtum (§ 119 Abs.I Alt.2 BGB)
- Irrtum bei Abgabe durch Versehen des Erklärenden
- Bsp: Versprechen, Verschreiben, Vergreifen
Übermittlungsirrtum (§ 120 BGB)
- Irrtum unterläuft nicht Erklärenden selbst, sondern Bote
- Bsp: Bote übermittelt Erklärung versehentlich unrichtig, indem er Inhalt verändert oder falschen Person ausrichtet
TOILETTENPAPIER-FALL
Sachverhalt
S ist Schulleiterin der Privatschule P. Anfang Oktober wird sie von dem Vertreter V aufgesucht, der ihr den Kauf von „25 Gros Rollen Toilettenpapier“ vorschlägt. Bei einer Bestellung in diesem Umfang könne er der S einen Mengenrabatt von 10 % einräumen. Sie ist damit ein-verstanden. V legt S daraufhin ein Bestellformular über „25 Gros Rollen Toilettenpapier, die Rolle zu 1000 Blatt“ vor, das diese unterzeichnet.
Als zwei Wochen später vom Lieferanten L 3.600 Rollen Toilettenpapier angeliefert werden, verweigert S die Abnahme und Bezahlung der Rollen bis auf 25 Stück mit der Begründung, sie habe nur 25 große Rollen bestellt. L weist sie hingegen darauf hin, dass die Bezeichnung „Gros“ nach altem Kaufmannsbrauch 12 Dutzend Stück bedeute (also 144). Dies hätte S wissen müssen. Im Übrigen seien ihm durch die Lieferung bereits Transportkosten i.H.v. 50 € entstanden. Des Weiteren führt der L an, dass ihm das Geschäft mit der Privatschule einen Nettogewinn von 250 € eingebracht hätte.
Fragen
- Hat L Anspruch auf Zahlung des vollen Kaufpreises?
- Falls nicht: kann er anderenfalls seine Schäden von der Privatschule P ersetzt verlangen?
HINTERGRUND “TOILETTENPAPIER-FALL“
Historie
Auch wieder ein „Klassiker“ unter den Beispielsfällen für einen Inhaltsirrtums (entschieden vom Landgericht Hanau 1979 (NJW 1979, 721)).
Lösungsskizze „TOILETTENPAPIER-FALL“
A. Frage 1: Anspruch L gegen P auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB
- Vertragsschluss zwischen L und P
- Einigung zwischen L und P
- Einigung zwischen V und S
- Angebot durch V im Namen des L
- Annahme durch S im Namen der P
- Zwischenergebnis
- Wirksamkeit des Vertragsschlusses
- Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
- Vorliegen eines Irrtums bei S
- Beachtlichkeit des Irrtums der S
- Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung
- Ergebnis für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes
- Anfechtungserklärung, § 143 I BGB
- Anfechtungsfrist, § 121 I BGB
- Ergebnis der Voraussetzungen der Anfechtung
- Endergebnis des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung
B. Frage 2: Anspruch des L gegen P auf Schadensersatz aus § 122 I BGB
- Vertrauensschaden des L
- Transportkosten i.H.v. 50 €
- Entgangener Gewinn aus dem angefochtenen Kaufvertrag i.H.v. 250 €
- Zwischenergebnis
- Ausschluss der Ersatzpflicht bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Anfechtbarkeit, § 122 II BGB
- Endergebnis
LÖSUNG „TOILETTENPAPIER-FALL“
Vorliegen eines Irrtums bei S
- Die S müsste sich bei Vertragsschluss in einem Irrtum befunden haben.
- Ein Irrtum liegt vor bei einem unbewussten Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem
- Vorliegend erklärte S objektiv die Annahme des Kaufs von 3.600 Rollen Toilettenpapier, ging subjektiv aber vom Kauf von nur 25 Stück aus
- Die objektive Erklärung weicht also von ihrer subjektiven Vorstellung ab, so dass sie sich in einem Irrtum befand.
Beachtlichkeit des Irrtums der S
- Der Irrtum der S müsste beachtlich gewesen sein.
- Vorliegend könnte es sich um einen Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 I Alt. 1 BGB handeln.
- Ein solcher Inhaltsirrtum ist gegeben, wenn sich der Erklärende in einem Irrtum über den Erklärungsinhalt befindet, indem er über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung irrt
- S erklärt hier, 25 Gros Rollen Toilettenpapier kaufen zu wollen und geht dabei davon aus, 25 große Rollen zu kaufen, während 25 Gros tatsächlich 12 Dutzend meint.
- Sie irrt also über die Bedeutung des Ausdrucks „Gros“ und damit über die Bedeutung ihrer Erklärung, befindet sich folglich in einem Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 I Alt.1. BGB.
- (…)
ANFECHTUNG WG. EIGENSCHAFTSIRRTUM
Anfechtungsgrund
- Eigenschaftsirrtum: §119 II BGB =der Erklärende irrt über eine best. Eigenschaft einer Person oder Sache / verkehrswesentliche Eigenschaft
- Eigenschaft
- wertbildenden Faktoren, die für das Rechtsgeschäft von Bedeutung sind
- Bsp: Unfallfreiheit eines Kfz
Anfechtungserklärung § 143 BGB
- Formfreie, einseitige, empfangsbedürfte WE
- vom Anfechtungs-Berechtigten ggü Anfechtungs-Gegner abzugeben
Anfechtungsfrist
- unverzüglich: § 121 BGB
- kein Ausschluss gem. § 144 BGB
Rechtsfolgen
- Nichtigkeit ex tunc (“von Anfang an”): §142 BGB
- Schadensersatz: §122 BGB
- Rückabwicklung: §812 BGB
ANFECHTUNG WG. INHALTS-/ERKLÄRUNGSIRRTUM
Anfechtungsgrund
- Inhaltsirrtum: §119 I 1.Var. BGB = liegt vor, wenn Erklärender dem Inhalt seiner Erklärung andere Bedeutung bemisst, als dies obj. der Fall ist.
- Erklärungsirrtum §119 I 2.Var. BGB = unbewusstes Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem. (z.B. Versprechen, Verschreiben)
Anfechtungserklärung §143 BGB
- Formfreie, einseitige, empfangsbed. Willenserklärung
- vom Anfechtungs-Berechtigten ggü Anfechtungs-Gegner abzugeben
Anfechtungsfrist
- unverzüglich: §121 BGB
- kein Ausschluss gem. §144 BGB
Rechtsfolgen
- Nichtigkeit ex tunc (“von Anfang an”): §142 BGB
- Schadensersatz: §122 BGB
- Rückabwicklung: §812 BGB
TRIERER WEINVERSTEIGERUNG
- Noch ein juristischer Lehrbuchfall mit dem man angehende Juristen in Deutschland seit inzwischen 125 Jahren (1899!) quält
Sachverhalt
Der ortsunkundige A besucht eine Weinversteigerung in Trier. Als er seinen Freund B entdeckt, winkt er ihm zu. Der Auktionator erteilt dem A daraufhin den Zuschlag für den aktuellen Posten = eine teure Kiste Wein
Lösung streng nach oben gelerntem Schema
Ob A den Wein ersteigert hat und bezahlen muss, hängt von Wirksamkeit des Gebotes ab ⇒ Gebot bei Versteigerung ist unstreitig eine Willenserklärung
Fraglich sind also
- Handlungswille = Wille, die ausgeführte Handlung zu tätigen
- Erklärungswille = Wille, etwas rechtl. Erhebl. zu erklären
- Geschäftswille = Wille, bestimmtes Rechtsgeschäft zu tätigen
LÖSUNG TRIERER WEINVERSTEIGERUNG
fehlender Handlungswille?
- keine zurechenb. Handlung ⇒ keine WE (z.B. Reflex)
- Aber: A hat die Hand bewusst und willentlich gehoben.
abweichender Geschäftswille?
- Dann wäre Willenserklärung gültig, aber anfechtbar
- A wollte jedoch mit dem Winken gar kein Geschäft tätigen.
Fehlender Rechtsbindungswille?
- Prinzipiell ja: A wollte sich definitv nicht rechtlich binden
- erscheint jedoch rein “aus Bauchgefühl” auch nicht richtig…
- Entscheidend ist daher aus rechtlicher Sicht: konnte Erklärender bei Anwendung der erf.Sorgfalt erkennen, dass Handlung als Willenserklärung verstanden werden musste?
Folge:
- Ja, konnte er, Willenserklärung ist daher wirksam
- Willenserklärung aber nach §§ 142, 119, 121, 143 BGB anfechtbar
- A muss dann den so genannten Vertrauensschaden nach § 122 BGB ersetzen (= Schaden, den die andere Partei erlitten hat, weil sie auf das Geschäft vertraut hat).
ZUSAMMENFASSUNG: IRRTUMSANFECHTUNG
- Anfechtungserklärung ggü Vertragspartner: § 143 Abs.2 BGB
- Anfechtungsfrist: unmittelbar nach Kenntniserlangung des Irrtums bis zum Ablauf von 30 Jahren nach Vertragsabschluß möglich (Verjährungsfrist!)
Rechtsfolgen
- Vernichtung der Rechtsgeschäfts: § 142 BGB
- Das Geschäft ist von Anfang an nichtig (ex tunc)
- Schadensersatzleistung ggü. dem Geschädigten: § 122 BGB
- Höhe Schadenersatz = Vertrauensschaden = Schaden, der entstanden ist durch Vertrauen in das Zustandekommen des Vertrages
- jedoch begrenzt auf Höhe des Erfüllungsschadens, d.h. Schaden, der durch Nichterfüllung entstanden ist, der bei Erfüllung nicht eingetreten wäre
- Erfüllungsschaden dient also als Beschränkungsgrundlage, damit aus einer Anfechtungen kein Geschäft gemacht wird
WEITERE WILLENSMÄNGEL
Bewußter Willensmangel = kein Irrtum
- unbeachtlich - so genannter „böser Scherz“
- Ausnahmen: Scheingeschäfte, „guter Scherz“, bloße Kenntnis
Unbeachtlich: Motiv- / Kalkulationsirrtum
- Keine gesetzliche Regelung – so genanntes „Gewohnheitsrecht“
- Ein Irrtum, der Erklärendem als Motiv dient, kann anderer Partei nicht angelastet werden, z.B. Hoffnung, der andere bemerke eine besonders wertvolle Kaufsache nicht
- Kalkulationsirrtum: nur dann anfechtbar, wenn Fehler für andere Partei offen geschehen, z.B. falsches Summieren, nicht aber bei verstecktem Irrtum wie z.B. falscher Gewinnspannenberechnung
ANFECHTUNG WG. TÄUSCHUNG / DROHUNG – §123 BGB
Beispiele
- Falsche Behauptung tatsächlicher Art Täuschender behauptet etwas, das, falls wahr, Tatsache wäre
- Behauptung, Auto koste laut Schwackeliste 5000,- EUR obwohl es lt. Liste nur 2000,- EUR wert waere
- Gegenbeispiel: Behauptung, Wohnung liege in bevorzugter Wohnlage, ist nur ein Werturteil, keine Tatsache
- durch Unterdrücken / Entstellen einer Tatsache, z.B. Fälschen Zeugnisnote oder verstellten Kilometerzähler
- oder durch Verschweigen einer Tatsache trotz Aufklärungspflicht, z.B.: Verschweigen von Vor-Unfallschäden
Voraussetzungen auf Seite Täuscher
- Arglist = Täuschender weiss, dass er falsches Bild vermittelt
- §123 I 1.Var BGB = Verhalten, das darauf beruht im anderen Irrtum hervorzurufen, zu verstärken oder zu erhalten, aufgr. dessen dieser sein Verhalten bestimmt
- Täuschender muss also wollen, dass im Anderen ein Irrtum entsteht und dieser zur Abgabe der Willenserklärung führt
Voraussetzungen auf Seiten des Getäuschten
- Erfolg: Täuschung muss bei Getäuschten zum gewünschten Irrtum führen (unerhebl., ob dieser hätte vermieden werden können!)
- Kausalität: Irrtum muss ursächlich für Entscheidung sein
Voraussetzungen bei Anfechtung wg. Drohung
- Widerrechtl. Drohung
- §123 I 2.Var BGB = Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluß zu haben vorgibt (es reicht also, wenn der andere Vertragspartner dies glaubt, auch wenn es in der Realität nicht stimmt!)
- Diese ist widerrechtlich, wenn das angedrohte Übel, der erstrebte Erfolg oder das Verhältnis aus beidem rechtswidrig ist
Durchsetzung Anfechtung wg. Täuschung / Drohung
- Anfechtungserklärung ggü Vertragspartner: § 143 Abs.2 BGB
- Anfechtungsfrist bei Täuschung: 1 Jahr nach Kenntniserlangung: § 124 BGB
- Anfechtungsfrist bei Drohung: 1 Jahr nach Beendigung des Bedrohungszustandes
- Anfechtung max. 30 Jahre nach Vertragsabschluß möglich
Rechtsfolgen bei Anfechtung wg. Täuschung
- Nichtigkeit ex tunc (“von Anfang an”): §142 BGB
- Schadensersatz: §122 BGB
- Rückabwicklung: §812 BGB
Rechtsfolgen bei Anfechtung wg. Drohung
- Nichtigkeit ex tunc: § 142 BGB
- Schadensersatz an den Getäuschten nach §§ 823, 826 BGB
- Ersetzt werden alle Kosten aus dem Vertrag: so als ob Vertrag nie geschlossen worden wäre!
Wichtig also
- Die Anfechtung wg. arglistiger Täuschung ist also lukrativer als wg. Irrtum, da Täuschender Schadensersatz leisten muss und Schadenersatz nicht durch “Erfüllungsschaden” begrenzt
- Zudem gilt eine längere Anfechtungsfrist von 1 Jahr!
STELLVERTRETUNG
Anwendbarkeit
- Grds. bei allen Rechtsgeschäften möglich
- Ausnahme „höchstpersönliche Rechtsgeschäfte“
- Eheschließung: § 13 EheG
- Testamente / Erbverträge: §§ 2247, 2274 BGB
- Vertreter handelt “im Namen„ des Vertretenen
- Vertretener trägt alle Folgen der Erklärung
- eigene Willenserklärung = Vertreter hat Entscheidungsspielraum, sonst ist er nur Bote!
- Offenkundigkeit: Vertretung muss bei abschluss bekannt sein, sonst Rechtsgeschäft zw. Drittem und Vertreter
Vertretungsmacht
- Vertretungsmacht aus gesetzl. (z.B. § 26 II BGB Vereinsvorstand) oder aus rechtsgeschäftl. Regeln (§§ 167 ff BGB), sonst ist er „Vertreter ohne Vertretungsmacht“
- Grds. Formfrei: § 167 BGB
- Urkunde o.ä. nicht erforderlich: § 167 II BGB
- Schriftliche Erteilung aber ratsam: Beweiserleichterung
- Bestimmte Rechtsgeschäfte nur bei Vorlage Original-Vollmacht
Erlöschen der Vollmacht
- Nach Ablauf einer vorher bestimmten Frist oder Bei Wegfall einer vorher getroffenen Bedingung, z.B. § 168 I BGB = mit Kündigung erlöschen alle Vollmachten wie Prokura o.ä.
- Rechtsfolge: Bevollmächtigtem fehlt Vertretungsmacht
BESONDERHEITEN IM HANDELSRECHT
Besonderheiten HGB-Vollmacht
- Geschäfte durch Vertreter wirken nur innerhalb der erteilten Vollmacht
- Bei Überschreitung der Vollmacht bedarf es der Genehmigung des Vertretenen
- Solange nicht genehmigt: Rechtsgeschäft unwirksam: § 177 I HGB = schärfer als bei Privaten!
Fest vorgegebene Formen im HGB
- Prokura
- Handlungsvollmacht
Dokumentation
- handelsrechtliche Vollmachten sind dokumentiert im Handelsregister und können dort eingesehen werden
- rein theoretisch bei jedem einzelnen Geschäft Vollmachts-Urkunde vorzulegen
FRISTEN / VERJÄHRUNG
Fristen allgemein
- Ein festgelegter Zeitraum, innerhalb dessen etwas geschehen muss
- im Gegensatz zu einem Termin, der die Erbringung einer Leistung an einem bestimmten Termin vorsieht
- z.B. gesetzl. Gewährleistungsfrist 6 Monate (Grundstücke 1 Jahr: § 477 BGB)
- z.B. bei argl. Täuschung (s.o.) ⇒ 30 Jahre
Fristbeginn / Ende
- § 187 I BGB: mit Folgetag der Zustellung des Mahnschreibens
- Fristende in § 188 BGB geregelt – teilw. sehr komplex!
Typische Verjährungsfristen (Auszug)
- Geschäft zw. Kaufleuten und Privatpersonen: 2 Jahre (§ 196 I 1 BGB)
- Geschäft unter Kaufleuten: 4 Jahre (§ 196 II BGB)
- Renten-, Gehalts-, Unterhalts-, Zins-, Mietfdg: 4 Jahre (§ 197 BGB)
- Gewährleistung wg. Mangel, Wandelung, Minderung: 6 Mon. (§ 477 BGB)
- Ansonsten wenn nicht gesondert geregelt: 30 Jahre (§ 195 BGB)
Rechtsfolgen Verjährung
- Schuldner kann die Leistung verweigern ( §222 I BGB)
- Leistung nach Verjährung rückforderbar: (§ 222 II BGB)
- rechtliche Durchsetzung Erfüllungs-Anspruch ist nicht mehr möglich
- im Prozess wird nicht durch das Gericht automatisch geprüft, muss also explizit geltend gemacht werden!
ALLGEMEINE GESCHÄFTSBEDINGUNGEN
Vorliegen von AGB‘s: § 305 BGB
- Bedingungen für Vielzahl von Fällen allgemein vorformuliert
- Ggü. Verbraucher: privater statt gewerblicher Handel
- vom Verwender einseitig gestellt, nicht einzeln ausgehandelt
- Einschränkungen: § 310 BGB = z.B. nicht im Arbeitsrecht
Einbeziehung in Vertrag: § 306 BGB
- Ausdr. Hinweis / deutl. Sichtb. Aushang (z.B. Lidl-Eingang)
- Zumutbare Mögl. vor Annahme vom Inhalt Kenntnis zu erlangen
- Ausdrückl. / stillschweigend Einverständnis mit Geltung AGB
WIRKSAMKEIT VON AGB
Beispiele unwirksamer AGB
- § 305c BGB: so genannen “Überraschende Klauseln”
- § 308 BGB: unangemessene Benachteiligung: Unangemessen lange Frist Verkäufer zur
- Annahme/Ablehnung oder Unangemessen kurze Verzugsfrist für Käufer
- sachlich ungerechtfertigte Auflösung von einer Seite
- unzumutbare Änderung der versprochenen Leistung
- Unangemessene Entschädigung bei Vertragsrücktritt des Käufers
- Einseitiges Lösen aus dem Vertrag bei Nichtverfügbarkeit der zuvor angebotenen Leistung
- Einschränkungen des gesetzlichen Rückgaberechts
Wirkung bei Unwirksamkeit von AGB’s
- Generell: § 306 BGB Vertrag bleibt bis auf unwirksame Klauseln bestehen
- für die unwirksame Klausel tritt gesetzl. Regelung ein
- § 305b BGB: Vorrang der Individualabrede
AGB-PRÜFUNG
Anwendungsbereich: §§305 ff BGB
- eingeschänkt anwendbar auf Arbeitsverträge: §310 IV S.2 BGB
- Keine Anwendung: Erb-, Gesellsch., FamilienR, Tarifvertrag: §310 IV S.1 BGB
Vorliegen von AGB
- Vorformulierte Bedingung, für Vielzahl Verträge, vom Verwender einseitig gestellt
- Wenn ausgehandelt, dann keine “Vorformuliertheit”, §305 I S.3 BGB
- Ggü Verbrauchern reicht bereits erstmalige Verwendung, §310 III Nr.2 BGB
- AGB zählen bei Verbrauchen immer als „gestellt“: §310 III Nr.1 BGB
- Einbeziehung
- ggü Verbrauchern: §305 II BGB - Ausnahmen: §305a/305b BGB (Individualabrede)
- ggü Unternehmern: §310 I S.1 BGB
Inhaltskontrolle
- Inhaltskontrolle = Prüfung auf Übereinst. mit gelt. Recht: §305c II BGB
- Gegenüber Verbrauchern
- §309 BGB Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
- §308 BGB Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
- §307 BGB Generalklausel
- Gegenüber Unternehmern: § 307 BGB
LEISTUNGSSTÖRUNGEN - GRUNDSÄTZE
Verantwortlichkeit des Schuldners
- Verschulden gem. § 276 BGB, wie bekannt:
- nicht ausgeschl. oder beschränkt schuldfähig: §§ 276 I 3 und §§ 827, 828 BGB
- keine Personen im Zustand der Bewusstlosigkeit
- keine krankhafte Störung der Geistesfähigkeit: dauerhaft!! (kein Rausch)
- kein Minderj. unter 7 oder Minderj. Zw. 7 und 18
- Vorsatz (wissen und wollen) oder Fahrlässigkeit (im Verkehr übl. Sorgfalt außer Acht lassen)
Sorgfaltsmassstab
- Umsicht eines besonnenen/gewissenhaften Angehöriger des entspr. Verkehrskreises
- Verschulden Hilfspersonen wird in gleichem Umfang angerechnet wie eigenes Verschulden
LEISTUNGSSTÖRUNGEN - UNMÖGLICHKEIT - I
- Erbringung Leistung nicht mehr mögl. (weil z.B. zerstört)
Anspruchgrundlage bei Kaufverträgen: § 433 BGB
- Folge: Wer schuldet, muss leisten, Wenn Sache untergegangen, ist dies nicht möglich
- also kein Kaufpreis mehr zu leisten, mglw. aber Schadenersatzanspruch,
- daher zu klären, wer zu welchem Zeitpunkt die „Gefahr“ für Untergang trägt
So genannte „nachträgliche Unmöglichkeit“
- §§ 447ff BGB: „Versendungskauf“ = auf Käuferwunsch wird Sache an seinen Wohnort gesendet: Schickschuld
- Übergabe an Transportperson = Ende Verschuldensmöglichkeit für Schuldner,
- Hiermit Gefahrenübergang auf Gläubiger
- Bei Transportschäden hat Verkäufer kein Verschulden mehr: Preisgefahr liegt bei Käufer, dieser ist trotz eventuellem Schaden zur Zahlung an den Verkäufer verpflichtet!
LEISTUNGSSTÖRUNGEN - UNMÖGLICHKEIT - II
Arten der Unmöglichkeit
- subjektive Unmöglichkeit: nur Schuldner kann die Leistung persönlich nicht erbringen
- objektive Unmöglichkeit: geschuldete Leistung kann nach den Naturgesetzen bzw. dem Stand der Wissenschaft und Technik von niemandem mehr erbracht werden
Rechtsfolgen
- Schuldner: Wegfall Leistungspflicht und Verweigerungsrecht (§ 275 BGB)
- § 275 I BGB – Tats. und rechtl. Unmöglichkeit (objektive Unmöglichkeit)
- § 275 II BGB - Aufwand nach Gebot von Treu und Glauben in einem goben Missverhältnis zum Leistungsinteresse (Subjektive Unmöglichkeit)
- § 275 III BGB - Unzumutbarkeit der Leistungserbringung (Subjektive Unmöglichkeit)
- Gegenleistungspflicht des Gläubigers: Entfällt grds.,
Ausnahmen: §§326 I 2, 326 II 1, 326 III, 446 BGB
- Sekundäransprüche des Gläubigers
- Schadensersatz
- Aufwendungsersatz
- Herausgabe des Ersatzes
- Rückforderung, Rücktritt
LEISTUNGSSTÖRUNGEN - SCHULDNERVERZUG
§§ 280 BGB: Schuldner befindet sich mit der Leistung in Verzug
- Schuldner hat innerhalb einer Frist nicht geleistet
- Leistung noch nachholbar und Anspruch fällig
- durch Mahnung (Aufforderung, geforderte Leistung zu erbringen) beginnt der Verzug
- automatisch gem. § 286 II BGB bei kalendermäßig festem Termin oder 30Tage nach Rechnung
Rechtsfolge: § 288 BGB
- Verzugschaden zu ersetzen = Schaden nach Verzugsbeginn
- Nicht aber z.B. Kosten Mahnschreiben, dadurch beginnt Verzug!
- bei Geldschuld mglw. Verzugszinsen: § 288 BGB
- Haftungsverschärfung beim Schuldner: § 287 BGB
LEISTUNGSSTÖRUNGEN - GLÄUBIGERVERZUG
§§ 293 BGB: Gläubiger befindet sich mit Annahme der Leistung in Verzug
- Annahmeverweigerung der Arbeitsleistung
- Schuldverhältnis muss existieren
- Schuldner bietet seine Leistung an: § 293 BGB
- Nichtannahme der Leistung durch den Gläubiger
Rechtsfolgen § 300 ff BGB
- Übergang der Preisgefahr (§ 326 II 1 2.Alt BGB)
- Bei Gattungsschuld: Übergang der Leistungsgefahr (§ 300 II BGB)
- Haftungserleichterung (Schuldner haftet nur noch bei Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, nicht mehr bei leichter (§ 300 I BGB)
- Ersatz von Mehraufwendungen (§ 304 BGB)
GESETZLICHE SCHULDVERHÄLTNISSE - I
Entstehen durch Gesetz = ohne Vertrag
Beispiel 1: Unerlaubte Handlung / Delikt-Haftung: § 823 BGB
- Schuldner ist für Schaden unabhängig von vertrag verantwortl.
- z.B. Fahrzeughalter eines KfZ haftet für Schäden mit seinem KfZ, auch wenn er nicht selbst gefahren ist
- z.B. Produkthaftungsgesetz: Hersteller haftet für fehlerhafte Produkte, auch wenn Fehler nicht ihm direkt unterlaufen sind
⇒ Hierzu später noch mehr!
GESETZLICHE SCHULDVERHÄLTNISSE - II
Beispiel 2: Ungerechtfertigte Bereicherung: § 812 BGB
- Etwas muß durch Leistung (z.B. Zahlung) und
- ohne Rechtsgrund (z.B. fehlenden/unwirksamen Vertrag) erlangt werden
PRÜFUNGSSCHEMA UNGERECHTFERTIGTE BEREICHERUNG
A. § 812 I S. 1, 2. Alt BGB
- Etwas erlangt: jeder vermögenswerte Vorteil ⇒ anzunehmen, wenn sich die Vermögenslage des Schuldners verbessert hat
- in sonstiger Weise
- Eingriffskondiktion: aktiver Eingriff in Positionen, die mit absolutem Rechtsschutz ausgestattet sind
- Verwendungskondiktion: wenn durch eine Verwendung auf eine fremde Sache ohne Rechtsgrund ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung entstanden ist
- Rückgriffskondiktion: wenn jemand auf Kosten eines anderen von einer Verbindlichkeit befreit wird
- auf Kosten des Gläubigers
- ohne rechtlichen Grund
B. Kein Ausschluss
- § 814 BGB
- § 817 S. 2 BGB
C. Rechtsfolgen
- Herausgabe des Erlangten
- ggf. Herausgabe von Nutzungen / Surrogaten, § 818 I BGB
- ggf. Wertersatz, § 818 II BGB
- ggf. gilt zusätzlich eine verschärfte Haftung
D. Erlöschen
- Durch Entreicherung, § 818 III BGB
- Aus allgemeinen Gründen
AUSFÜHRLICHES BEISPIEL: “BONIFATIUS-FALL”
Historischer Hintergrund “BONIFATIUS-FALL”
Schon wieder ein uralter Fall: beruht auf einem Rechtsstreit, den das Reichsgericht 1913 zu entscheiden hatte
SACHVERHALT
Der bettlägerige Pfarrer P übergibt einige Tage vor seinem Tod dem Pfarrkuranten D seine Wertpapiere mit der Bitte, diese dem Bonifatiusverein zu überbringen.
Gegenüber D erklärt P: “Ich schenke meine Wertpapiere dem Bonifatiusverin. Es ist Geld von der Kirche und soll auch wieder für die Kirche verwendet werden, wenn ich nicht mehr da bin. Ich übergebe es Ihnen, damit Sie es dem Weihbischof bei Gelegenheit geben.”
Daraufhin verstirbt P.
Erbin von P wird dessen Schwester E. D überbringt einige Tage nach dem Tod des P die Wertpapiere dem Bonifatiusverein.
Als die E davon erfährt, verlangt sie die Wertpapiere vom Bonifatiusverein heraus.
Zu Recht?
LÖSUNGSSKIZZE “BONIFATIUS-FALL”
A. Anspruch der E gem. §§ 1922 Abs. 1, 812 I 1, 985 BGB ( Chronologisch)
- Bonifatiusverein Besitzer?
- Bonifatiusverein Eigentümer?
- Eigentumsübergang vor dem Tod des P an D
- Eigentumsübergang an B vor dem Tod des P ?
- Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gem. § 1922 Abs. 1 BGB
- Eigentumsübertragung an den Bonifatiusverein
- Einigung & Übergabe
- Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe
- Berechtigung
- Ergebnis: Bonifatiusverein hat Eigentum erworben
B. Kein Recht zum Besitz des Bonifatiusvereins
- Erlangtes Etwas
- Durch Leistung
- Ohne Rechtsgrund?
- Schenkung ggf als Rechtsgrund?
- Abgrenzung §§ 516, 518 BGB zu § 2301 BGB
- ggf. Formunwirksamkeit: Anforderungen an „Vollzug“ zu Lebzeiten
C. Ergebnis: E kann vom Bonifatiusverein B die Herausgabe der Wertpapiere verlangen
Gesamtübersicht Vertragsprüfung
A. Anspruch entstanden?
- Einigung der Parteien über Vertragsbestandteile = übereinstimmende Willenserklärungen:
- Angebot
- Annahme
- erforderlichenfalls Auslegung und Stellvertretung prüfen
- Nichtigkeitsgründe (= rechtshindernde Einwendungen)
- Mangelnde / beschränkte Geschäftsfähigkeit: §§104 ff.
- Formverstöße: §125
- Verbotsgesetz: §134
- Wucher: §138 II / Sittenwidrigkeit: §138 I
- Anfechtung: §142
- Verbraucherkreditgesetz; Haustürwiderrufsgesetz
B. Untergang oder inhaltlich verändert?
- § 362: Erfüllung / §364: an Erfüllung Statt
- §§ 275: Unmöglichkeit
- §§ 280/293: Schuldnerverzug/Gläubigerverzug
- § Wandlung/Minderung/Kündigung (§§ je nach Vertragstyp)
- § 387: Aufrechung
- § 346: Rücktritt
C. Durchsetzbarkeit?
- Einreden: z.B. Verjährung, §§194 ff BGB oder Zurückbehaltungsrecht, §237 BGB
- Kein Fall des § 242
D. Rechtsfolgen:
- Hauptleistungspflichten: versprochene Leistung müssen erbracht werden
- Nebenleistungspflichten zB. § 444; § 242
- Mitwirkungspflichten zB. Abnahme beim Werk: § 642
- Sorgfaltspflichten zu beachten
Quiz Vertragsrecht
Frage 1: Alice und Bob vereinbaren, dass Alice Bobs Fahrrad für 10 Euro pro Tag mieten darf. Handelt es sich hierbei um ein Rechtsgeschäft, und wenn ja, um welche Art von Rechtsgeschäft?
Lösung
Ja, es handelt sich um einen Vertrag.
Ein Vertrag ist eine besondere Form eines Rechtsgeschäfts, bei dem mindestens zwei Vertragspartner eine Einigung über die Rechtsfolgen treffen. In diesem Fall einigen sich Alice und Bob über die entgeltliche Nutzung des Fahrrads.
Es handelt sich um einen Mietvertrag.
Frage 2: Alice und Bob einigen sich schriftlich darauf, dass Eve eine "dumme Kuh" ist. Ist dies ein Vertrag?
Lösung
Nein, dies ist kein Vertrag.
Obwohl eine rechtliche Folge eintreten kann (z.B. Strafbarkeit wegen Beleidigung), erwächst die Rechtsfolge nicht aus der Einigung selbst. Es fehlt der Wille, eine rechtliche Bindung zu schaffen.
Frage 3: Alice kauft am Kiosk von Bob eine Zeitschrift und bezahlt sofort. Erläutern Sie anhand dieses Beispiels das Abstraktionsprinzip.
Lösung
- Der Kaufvertrag regelt die Verpflichtung von Alice, den Kaufpreis zu zahlen, und die Verpflichtung von Bob, die Zeitschrift zu übereignen. Dies ist das Verpflichtungsgeschäft.
- Die tatsächliche Übereignung der Zeitschrift und des Geldes sind jeweils eigene Rechtsgeschäfte, die die Eigentumsverhältnisse ändern. Dies sind die Verfügungsgeschäfte.
- Das Abstraktionsprinzip besagt, dass diese beiden Geschäfte getrennt voneinander zu betrachten sind. Auch wenn der Kaufvertrag unwirksam wäre, könnte die Übereignung der Zeitschrift dennoch wirksam sein.
Frage 4: Alice hat Bob ihr Grundstück verkauft. Solange Alice noch Eigentümerin ist, verkauft und übereignet sie das Grundstück an Eve. Welches Prinzip des Vertragsrechts wird hierdurch eingeschränkt und welche Folgen hat dies?
Lösung
- Hierdurch wird die Privatautonomie im Bereich des Verfügungsgeschäfts eingeschränkt.
- Obwohl Alice das Grundstück bereits an Bob verkauft hat, kann sie es dennoch wirksam an Eve übereignen, da sie noch Eigentümerin ist.
- Allerdings muss Alice mit Schadensersatzansprüchen von Bob rechnen, da sie gegen ihre vertragliche Verpflichtung aus dem Kaufvertrag verstoßen hat.
Frage 5: Auf einer Weinversteigerung winkt der ortsunkundige Anton seinem Freund zu. Der Auktionator versteht dies als Gebot und erteilt Anton den Zuschlag für eine teure Kiste Wein. Muss Anton den Wein bezahlen?
Lösung
- Grundsätzlich ja, denn das Winken kann als Willenserklärung ausgelegt werden, die auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichtet ist.
- Anton wollte mit dem Winken zwar kein Gebot abgeben, aber der Auktionator durfte dies als solches verstehen.
- Allerdings kann Anton die Willenserklärung anfechten, da ihm der Geschäftswille fehlte.
- Er muss dann aber den Vertrauensschaden des Auktionators ersetzen.
Frage 6: Die Schulleiterin Susanne bestellt beim Vertreter Volker "25 Gros Rollen Toilettenpapier". Susanne denkt, "Gros" bedeutet "groß". Volker weiß, dass "Gros" im Kaufmannsbrauch 12 Dutzend bedeutet. Als 3.600 Rollen geliefert werden, will Susanne nur 25 Rollen abnehmen. Kann sie den Vertrag anfechten?
Lösung
- Ja, Susanne kann den Vertrag wegen Irrtums anfechten.
- Es liegt ein Inhaltsirrtum vor, da Susanne über die Bedeutung des Wortes “Gros” irrt.
- Der Irrtum ist beachtlich, da er sich auf einen wesentlichen Vertragsbestandteil bezieht, nämlich die Menge des Toilettenpapiers.
Frage 7: Pfarrer Paul schenkt dem Pfarrkuranten Daniel kurz vor seinem Tod Wertpapiere mit der Bitte, diese dem Bonifatiusverein zu übergeben. Pauls Schwester Erna ist die Erbin. Kann Erna die Herausgabe der Wertpapiere vom Bonifatiusverein verlangen?
Lösung
- Ja, Erna kann die Herausgabe der Wertpapiere verlangen.
- Die Schenkung an den Bonifatiusverein ist formunwirksam, da sie nicht notariell beurkundet wurde.
- Daniel hat die Wertpapiere ohne Rechtsgrund an den Bonifatiusverein übergeben.
- Erna kann daher die Wertpapiere auf Grundlage der ungerechtfertigten Bereicherung herausverlangen.
Frage 8: Nennen Sie drei Beispiele für Verträge, bei denen das Gesetz eine bestimmte Form vorschreibt.
Lösung
- Grundstückskaufverträge: müssen notariell beurkundet werden.
- Schenkungsverträge: müssen ebenfalls notariell beurkundet werden, außer bei Übergabe der Schenkung.
- Eheverträge: müssen notariell beurkundet werden.
Frage 9: Was sind die Rechtsfolgen, wenn ein Vertrag erfolgreich angefochten wird?
Lösung
- Der Vertrag ist von Anfang an nichtig (ex tunc).
- Der Anfechtende muss dem Vertragspartner den Vertrauensschaden ersetzen, aber nur bis zur Höhe des Erfüllungsschadens.
Frage 10: Nennen Sie drei Beispiele für gesetzliche Schuldverhältnisse.
Lösung
- Unerlaubte Handlung: z.B. Schadensersatzpflicht nach einem Verkehrsunfall.
- Ungerechtfertigte Bereicherung: z.B. Rückzahlung einer versehentlich doppelt überwiesenen Summe.
- Geschäftsführung ohne Auftrag: z.B. wenn jemand für einen anderen notwendige Ausgaben tätigt, ohne dazu beauftragt zu sein.